Hexen in Marburg - Marburg in Hessen

Marburg
in
Hessen
Marburger Landgrafenschloss
Pilgrimstein, Marburg
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Hexen in Marburg

Historisches > Marburger Geschichten
Vorwort
Rund 500 Jahre lang sind in Europa unzählige Frauen, Männer und Kinder dem Hexenwahn zum Opfer gefallen. Vom Ende des 13. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dauerte diese dunkle Epoche von Gewalt, Verfolgung und Prozessen. Auch in Deutschland, Hessen und Marburg griff dieser Hexenwahn um sich. Allein für Marburg gibt es für den Zeitraum von 1513 bis 1710 noch mehr als 100 Akten und Protokolle von alten Hexenprozessen, Befragungen und Verurteilungen. Eines dieser alten Protokolle möchte ich Ihnen nun hier vorstellen.

Die Hexe Katharine Lips
Im Jahr des Herrn 1672 wurde Katharine Lips, des Schulmeisters Ehefrau von Betziesdorf in Oberhessen, in den Hexenturm zu Marburg eingesperrt und in fürchterlicher Art und Weise gefoltert. Das im Archiv zu Marburg aufbewahrte Protokoll sagt dazu folgendes:

..hierauf ist ihr nochmals das Urteil (auf Tortur) vorgelesen worden und sie erinnert worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber beständig bei dem Leugnen blieben, hat sich selber hertzhaft und willig ausgezogen, worauf sie der Scharfrichter mit den Händen angeseilet, peinlich Beklagte hat gerufen: O wehe! o wehe! Herr im Himmel komme zu Hilfe! Die Zehen sind angeseilet worden hat gerufen: ihre Arme brechen ihr. Die spanischen Stiefel sind ihr aufgesetzet, die Schraube auf dem rechten Bein ist zugeschraubet, ihr ist zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie hat aber darauf nicht geantwortet. Die Schraube auf dem linken Bein auch zugeschraubet. Sie hat gerufen, sie kennte und wüßte nichts. Die linke Schraube gewendet, peinlich Beklagte ist aufgezogen, sie hat gerufen: Du lieber Herr Christ, komme mir zu Hilfe! sie kennte und wüßte nichts, wenn man sie schon ganz tot arbeitete. Ist höher aufgezogen, ist stille worden und hat gesagt, sie wäre keine Hexe. Die Schraube auf dem rechten Bein zugeschraubet, worauf sie o wehe! gerufen. Es ist ihr zugeredet worden, die Wahrheit zu sagen. Sie ist aber dabei blieben, daß sie nichts wüßte, ist wieder niedergesetzet worden, die Schrauben sind wieder zugeschraubet, hat geschrieen: O wehe! O wehe! Wieder zugeschraubet auf dem rechten Bein, ist stille worden und hat nichts antworten wollen, zugeschraubet, hat laut gerufen, sie kennte und wüßte nichts, nochmals aufgezogen, sie gerufen: O wehe, wehe! ist aber bald ganz stille worden, ist wieder niedergesetzt und ganz stille blieben, die Schrauben aufgeschraubet. Die Schrauben höher zugeschraubet, sie laut gerufen und geschrien, ihre Mutter unter der Erde sollte ihr zu Hilfe kommen, ist bald ganz stille worden und hat nichts reden wollen. Härter zugeschraubet, worauf sie anfangen zu kreischen und gerufen, sie wüßte nichts. An beiden Beinen die Schrauben höher gesetzet, daran geklopfet, sie gerufen: Meine liebste Mutter unter der Erden, o Jesu; komm mir zu Hilfe! Am linken Bein zugeschraubet, sie gerufen, sie wäre keine Hexe, das wüßte der liebe Gott, es wären lauter Lügen, die von ihr geredet worden. Die Schraube am rechten Beine härter zugeschraubet, anfangen zu rufen, aber stracks wieder ganz stille worden. Hierauf ist sie hinaus geführt worden vom Meister, ihr die Haare abzumachen. Darauf er, der Meister kommen und referiert, daß er das Stigma funden, in welchem er eine Nadel über Glieds tief gestochen, welches sie nicht gefühlet, auch kein Blut herausgangen. Nachdem ihr die Haare abgeschoren, ist sie wieder angeseilet worden an Händen und Füßen, abermals aufgezogen, da sie geklaget , ist wieder ganz stille worden, gleich als wenn sie schliefe. Die Schraube am rechten Bein wieder zugeschraubet, da sie laut gerufen, die linke Schraube auch zugeschraubet, wieder gerufen und stracks ganz stille worden, und ihr das Maul zugegangen. Am linken Bein zugeschraubet, worauf sie gesagt, sie wüßte von nichts, wenn man sie schon tot machete. Besser zugeschraubet am rechten Bein, sie gekrischen, endlich gesagt, sie könnte nichts sagen, man sollte sie auf die Erde legen und totschlagen. Am linken Bein zugeschraubet, auf die Schrauben geklopfet, hartter zugeschraubet, nochmals aufgezogen, endlich ganz wieder losgelassen worden. Meister Christoffel, der Scharfrichter, berichtet, als sie peinlich Beklagtin die Haare abgeschnitten, habe sie an seinen Sohn begehrt, daß man sie doch nicht so lange hängen lassen möchte, wenn sie aufgezogen wäre.«

Die Standhaftigkeit dieser Frau ertrug alle Grade der Folter. Es war von ihr kein Geständnis zu erpressen, und da man auch sonst keine Beweise gegen sie hatte, mußte sie endlich entlassen werden. Aber im folgenden Jahre, da man weitern Verdacht zu haben vermeinte, wurde sie abermals gefänglich eingezogen und noch entsetzlicher gemartert. Sie wurde viermal aufgezogen, sechzehnmal wurden die Schrauben so weit geschraubt, als es nur möglich war, und da sie wiederholt in Starrkrampf verfiel, so wurde ihr mehrmals mit Werkzeugen der Mund aufgebrochen, damit sie bekennen sollte. Bald betete sie, bald brüllte sie »wie ein Hund«. Ihre Seelenstärke war größer als die Bosheit ihrer Peiniger und endlich wurde die arme unglückliche Frau mit Landesverweisung entlassen.

Hexe Lips
Copyright © 2023 Wolfgang Krebs.
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